significans.cut - Frauenmuseum Bonn

significans Archiv-Installation -
eine Ausstellungsbeschreibung

Dezember 2000, Neue Gesellschaft für Bildende Kunst, Berlin-Kreuzberg

Besucherinnen und Besucher betreten den Ausstellungsraum und passieren einen deutschen Grenzpfahl (Nachbau, Holz, weiss), der auf Ohren-Höhe aus zwei "implantierten" Lautsprechern einen kurzen Sprechtext verlauten läßt:

Guten Tag,

Sie betreten das significans-Archiv. Es enthält Dokumente und Informationen zu aktuellen Identifizierungstechniken und ihren Anwendungen am menschlichen Körper. Diese Techniken werden insbesondere bei Ausländer/innen ohne gültige Aufenthaltspapiere oder bei Asylbewerbern eingesetzt.
Die Gemeinsamkeit der Verfahren wie Speicheltest, Sprachanalysetest, Videoüberwachung, Röntgen der Handwurzel- und Kieferknochen besteht darin, daß sie scheinbar objektive Kriterien zur Erkennung von wahr und falsch, von deutsch und ausländisch, von politisch-verfolgt und wirtschafts-flüchtig bereitstellen.
Das
significans-Archiv will die Identifizierungstechniken und ihren Charakter identifizieren. Sie sind eingeladen, die Installation als ganze wie ein Kunstwerk zu betrachten, das den Blick auf die Techniken zurück lenkt.
Die ausliegende Inventarliste gibt Auskunft über Inhalt und Binnenstruktur des Archivs. Sie lädt ein zur Lektüre der Details und verweist auf die Vernetzung der unterschiedlichen Dokumente.
Nutzen Sie unser Archiv also zum Studium wie eine Bibliothek. Arbeitsplatz und Kopiergerät sowie Video-Monitore stehen Ihnen zur Verfügung. Falls Sie das Archiv mit Informationen oder Kommentaren ergänzen möchten, so hinterlegen Sie Ihren Beitrag bitte in der Ablage-Box.

Raumbeschreibung

Archiv:
Die gesammelten Dokumente lagern in 100 nummerierten, halb-transparenten PVC-Boxen. Ihr Inhalt ist in der Inventarliste verzeichnet, welche den Besucher/innen zur Verfügung steht. Die Boxen stehen auf einem Bodenraster, es zeigt den Grundplan einer Renaissance-Kirche aus Florenz, die Architekturmaße basieren auf Körpermaßen.
Körperteile sind als Begriffe in das Raster einbeschrieben (siehe Titelbild der Inventarliste). Die Begriffe zerteilen den Körper, da sie nicht ordnungsgemäß auf der entsprechenden Körperposition des Rasterplans stehen.
Die fast 50m lange Galeriewand entlang den Archiv-Boxen trägt Wandzeichnungen: es sind sehr einfach lesbare Zeichnungen zu den einzelnen Identifizierungstechniken, die als "Storyboards"/ od. ähnlich wie "Gebrauchsanweisungen" gestaltet sind. Nonverbal werden die Vorgänge erzählt.
In der dunklen Raumverlängerung ist ein Video-Standbild auf die Stirnwand des Ausstellungsraums projiziert. Das dunkel-flimmernde Bild zeigt in der Achs-Verlängerung des Raumes die Start- und Landebahn des Airports Berlin-Schönefeld, Ort der Abschiebungen aus Berlin.

Büro:
In einem kleinen Büro-Bereich hängt eine Art Garderobe: wir hatten Leute gebeten, die als Asylbewerber/innen von den Identifizierungstechniken betroffen sind, auf weiße Einweg-Overalls Texte zu ihren Biografien/zu ihren Wünschen sowie Kritiken zu schreiben. Die weissen Overalls mit den Texten wirken wie eine "zweiten Haut", eine Art Brief an das Publikum. Französiche und englische Texte auf den Overalls liegen in Dokumenten-Mappen übersetzt vor.
Tische, Bänke, Regale und Stühle im Büro-Bereich sind aus weißem Metall und stammen aus einem Arzt-Zimmer.
Ein Kopiergerät steht den Archivbesucher/innen zum Kopieren von Dokumenten zur Verfügung. Auf den Regalen stehen offene Boxen, wo Besucher/innen eigene Dokumente abgeben können. Auf dem Büro-Tisch sind ebenfalls Materialien für eine Markierungs-Aktion im Stadtraum ausgelegt. Eine Adressenliste nennt Orte, wo in Berlin die Identifizierungstechniken am Körper vorgenommen werden oder wo sie Konsequenzen im Asylverfahren zeigen (z.B. Abschiebe-Gefängnisse, Flughafen Institute etc.). Stickers mit dem significans-Logo sollen von Ausstellungsbesucher/innen mitgenommen und an den entsprechenden Orten auf Wände, Gitter, Türen oder Fenster geklebt werden.
Drei Video-Monitore stehen in unmittelbarer Nähe zum Büro-Bereich. Die Ausstellungsbesucher/innen können dokumentarische und künstlerische Video-Materialien einsehen.

Die Ausstellung endete am 23. Dezember 2000. Anschließend übernahm unsere web-site die Aufgabe, significans-Informationen zu sammeln und weiterzugeben.

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significans, 2000
Raumansicht
significans, 2000
Raumansicht
significans, 2000
Detailansicht
significans, 2000
Raumansicht
significans, 2000
Raumansicht
significans
Eröffnung 23.12.2001

(Beim Ancklick Bildvergrößerung)


significans.cut
Archiv-Installation in der Ausstellung WEGZIEHEN
Frauenmuseum Bonn

Oktober 2001 bis Februar 2002

Die Berliner Arbeitsgruppe significans stellt im Rahmen der Ausstellung "WEGZIEHEN"/Frauenmuseum Bonn eine Rauminstallation vor, welche sich thematisch auf die Fluchtgründe von Asylbewerberinnen und Flüchtlingsfrauen bezieht. Der zentrale Ausstellungsraum im ersten Stock des Frauenmuseums zeigt großformatige Wandzeichnungen: botanische Studien und Sequenzen aus Herbarien. Es sind starke, kraftvolle und stachlige Gewächse, die den Archivraum umranken. Die Einrichtung ist funktional: Holzbänke, Tische, Video-Monitor, Kopierer und Archivboxen laden die Ausstellungsbesucher/innen zu eigenen Recherchen ein.

Text-, Bild- und Videomaterialien dokumentieren Fluchtmotive und Verfolgungspraktiken:
"Weltweit sind Frauen von Verfolgung bedroht und betroffen. Die Formen dieser Verfolgung sind sehr vielfältig. Frauen fliehen u.a. vor politischer Verfolgung, weil sie sich in oppositioneller Weise betätigen, weil sie aufgrund der politischen Betätigung ihrer männlichen Verwandten unter - oftmals sexuellen - Verfolgungsmaßnahmen zu leiden haben, vor drohender Genitalverstümmelung, vor sexualisierten Übergriffen und Gewalttaten, vor Zwangsabtreibung, Zwangsverheiratung, Zwangssterilisation, vor Verfolgungsmaßnahmen aufgrund von Verstößen gegen Verhaltens- und Bekleidungsregeln."
Kerstin Böffgen, PRO ASYL

Die Archiv-Installation spiegelt den aktuellen Stand der Diskussion um Anerkennung geschlechtsspezifischer Verfolgung als Asylgrund in Deutschland und informiert über die Hintergründe:
Aktuell werden entsprechende Verfolgungsgründe nur dann asylrechtlich anerkannt, wenn es sich um politische Verfolgung gemäß Artikel 16A des Grundgesetzes handelt. Auch im neuen Entwurf des Zuwanderungsgesetzes ist eine Berücksichtigung geschlechtsspezifischer Verfolgung als Asylgrund nicht vorgesehen.

Die Arbeitsgruppe versteht die Installation im Frauenmuseum Bonn als Hommage an die betroffenen Asylbewerberinnen und Migrantinnen.

Die versammelten Materialien sind Verbindungsglieder zwischen den Frauen, ihren Organisationen und der Ausstellungs-Öffentlichkeit. Durch die Vielfalt der Diskussionsansätze soll eine Vernetzung des Themas mit unserem Alltag und unserer Verantwortlichkeit in Westeuropa ermöglicht werden: Menschenrechte contra Kultur-Relativismus.

significans engagiert sich an Schnittstellen zwischen Kunst, Kultur und politischer Aktion.

Künstler/innen, Kulturwissenschaftler/innen und Journalist/innen recherchieren zu gesellschaftspolitisch tabuisierten Randzonen, die insbesondere im Ausländer- und Asylrecht verschiedene Formen von Inkriminierungen sowie Diskriminierungen erzeugen. Die frauenspezifischen Dokumente der Bonner Installation ergänzen die Bestände des significans-Archivs, das im Dezember 2000 erstmals in den Galerieräumen der Neuen Gesellschaft für Bildende Kunst in Berlin-Kreuzberg ausgestellt wurde.

significans.cut
Archiv-Installation im Frauenmuseum Bonn
Im Krausfeld 10, 53111 Bonn
Tel.: 0228-69 19 75 / frauenmuseum@bonn-online.com

Pressekonferenz: Freitag, 12.Oktober 2001, 11.00 Uhr
Ausstellungseröffnung: Sonntag, 14.Oktober 2001 12.00Uhr
Ausstellungsende: Sonntag, 24. Februar 2002

cut.Konzept und Realisation:
Carolina Kecskemethy, Lima und Berlin
Christiane Hamacher, Bern/Biel und Berlin
Barbara Meyer Marenbach, Luzern und Berlin
Hanna Sjöberg, Stockholm und Berlin

OPEN_CALL:

Unter der significans e-mail-Adresse mailbox@significans.de können Sie sich an unseren Recherchen beteiligen.

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