significans

Beweisführungen am Körper, Vermessungen und Körperspuren in der künstlerischen Produktion. Eine kritische Auseinandersetzung mit aktuellen Identifizierungs- und Überwachungstechniken im kulturellen und gesellschaftspolitischen Kontext.

significans beschäftigt sich mit den Arbeitszusammenhängen und Methoden der Erkennungsdienste. In den vergangenen Jahren expandierte der Einsatz von körpervermessenden und -analysierenden Untersuchungen zu nicht-kriminalistischen Zwecken. Der Einsatz körperbezogener Identitäts-Tests wird insbesondere für Asylbewerber/innen oder für Ausländer/innen ohne gültige Aufenthaltspapiere vorgenommen. Es geht oftmals nur darum, ein Land für die Abschiebung zu bestimmen. Wenn bspw. die Ausländerbehörde Zweifel an der Auskunft zur Identität einer Person anmeldet, können neben den üblichen geografischen Befragungen verschiedene Tests eingesetzt werden, welche die Befragten nicht wil-lentlich lenken können. Die Test-Methoden rücken unter diesem Ge-sichtspunkt in die Nähe des umstrittenen Lügendetektors und unter-wandern das Recht auf informationelle Selbstbestimmung.

Aktuell werden unter anderem Sprachanalysen in einem wissenschaftlich fragwürdigen Verfahren durchgeführt, die einen bestimmten Dialekt eines Herkunftslandes filtern sollen. Zum gleichen Zweck werden als preiswertere Variante Vorführungen von Asylbewerber/ innen vor aus-ländischem Botschaftspersonal organisiert ("Botschaftstourismus"). Weiter dienen Speicheltests zur Bestimmung von traditionellen Familienstrukturen; Blutsverwandtschaft soll nachgewiesen werden. Dies betrifft Situationen, in denen Kinder aus dem Ausland zu Mutter oder Vater in Deutschland nachreisen sollen. Zur Altersbestimmung von jugendlichen, minderjährigen Asylbewerber/innen wird neben der soge-nannten "Inaugenscheinnahme" partiell die Röntgentechnik eingesetzt: Zähne, Kiefer- und Handwurzelknochen- Vermessung ersetzen hier, wie bei allen körperbezogenen Tests die Glaubwürdigkeit persönlicher An-gaben. Mit dem Verweis auf die Mitwirkungspflicht zur Aufklärung der Identität werden Ausländer/innen zu den erkennungsdienstlichen Tests aufgefordert. Auftragserteilende Behörde ist das Bundesamt für Aus-länderangelegenheiten bzw. entsprechende Landesämter.

Der Einsatz von zivilen Identifizierungs- und Überwachungstechniken in Berlin ist an bestimmte Einrichtungen der Ausländerbehörden gebunden. Die Öffentlichkeit ist kaum informiert und könnte sich allenfalls an Haushaltsgeldern des Bundesinnenministerium (Bundesgrenzschutz) und des Berliner Innensenats orientieren, wie viel Geld für die Tests verwendet wird. Um das Thema unter kulturellen Aspekten zu disku-tieren, versucht significans in einer künstlerischen Auseinander-setzung, die aktuelle Entwicklung zu dokumentieren:

Anstelle des persönlichen Gesprächs zwischen Sachbearbeiter/innen und Asylantragsteller/in wird zunehmend auf der Grundlage biologistischer Daten über Bleiberecht oder Abschiebung entschieden. Die Verfahren sind kostenintensiv, entwürdigend für die Probanden und lenken in ihrer zunehmenden Ausdifferenziertheit von grundsätzlichen Missständen in der Asylpolitik ab. Der Forschergeist sollte sich eher auf die Motive für eventuell gefälschte Personalien konzentrieren als prä-ventiv Antragsteller/innen an medizinische Labors zu delegieren. Ge-fordert ist eine forcierte Einwanderungsdebatte, um künftig Zuwander-ung und Flucht einem Rechtsstaat entsprechend getrennt organisieren zu können.

significans transformiert gesellschaftspolitische Diskussionsansätze über zivile Identifizierungs- und Überwachungstechniken in Thesen und Fragen im Spannungsfeld der Kultur. Aktuelles Beispiel: Aus "Big Brother is watching you" wurde nunmehr "You are watching Big Brother". Unsere Projekte stellen Fragen nach subtilen gesellschaftlichen Konsens-Verschiebungen in der Bewertung von Autonomie und Selbst-kompetenz.

significans versteht sich als Archiv, Informations- und künstlerisches Interventionsbüro. Zentrum der Recherchen sind aktuelle Identifizierungstechniken, aber auch Video- Überwachungstechniken und Chipkartensysteme, deren Code-Sammlungen sich direkt und indirekt auf den menschlichen Körper beziehen.

significans organisierte eine Archiv-Installation, künstlerische Aktionen, Performances, Lesungen und Hearings im Kontext der Identifizierungs- und Überwachungstechniken. Videodokumente und eine Filmreihe im Kino Arsenal ergänzten das Ausstellungsprogramm der NGBK. Künstler/innen recherchierten gemeinsam mit betroffenen Ausländer/innen und ihren Organisationen und konfrontierten die verschiedenen Argumente und Interessen aus Kunst, Kultur und Politik.

significans ließ über einen Wettbewerb ein Logo entwickeln, dessen Gewinner Anja Fell & seven of nine media GbR sind. (Logo)

significans existiert seit 1999 und arbeitet zur Zeit als unabhängige Aktionsgruppe in Berlin.

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